Online-Talk Wirtschaft und Soziales: System für Mitmenschen und Natur neugestalten
Wie kann es gelingen, unser Wirtschaftssystem sozialer und nachhaltiger zu gestalten? Experten diskutierten im 4. Online-Talk des Forums Katholischer Erwachsenenbildung
Klimakatastrophe, Finanzkrisen und zunehmende Verteilungs-Ungerechtigkeiten zeigen deutlich: Unser Wirtschaftssystem und seine Logik der Profitmaximierung dient weder dem Wohle der Menschen noch des Planeten. Am 19. Mai diskutierten Franz Küberl, ehemaliger Präsident der Caritas Österreich, und der an der Universität Wien lehrende Sozioökonom Andreas Novy, unter der Moderation von Bernd Wachter, Geschäftsführer Forum Katholischer Erwachsenenbildung, über die Krise unseres Wirtschaftssystems, über Armut und Verteilungsfragen und über Wege für ein öko-soziales Wirtschaften.
Ukraine-Krieg bringt enorme Umverteilung
Zum Auftakt des Talks widmeten sich die Experten dem Ukraine-Krieg. Es gäbe immer Gewinner in einem Krieg, erinnerte Franz Küberl. „Der Krieg bringt eine unvorstellbare Umverteilung. Der militärisch-industrielle Komplex ist der eigentliche Nutznießer dieses Krieges, für den viele leiden müssen.“ Küberl plädierte für die „Verteidigung der Gewaltlosigkeit“. Gewaltlosigkeit sei nicht am Ende, so der Ex-Caritas-Präsident. Vielmehr sei diese „etwas, das man verteidigen muss“.
Sorge um Mitmenschen und Natur als Maßstab
„Wirtschaft ist eingebettet in Gesellschaft und Natur. Das führen uns die Pandemie, und jetzt der Ukraine-Krieg vor Augen.“, hielt Novy fest. „Die Konzentration wirtschaftlicher Macht und damit deren Vereinnahmung politischer Macht ist eines der größten Probleme, vor denen wir heute stehen.“ Die Sorge um Mitmenschen und die Natur müsse der Maßstab für gutes Wirtschaften sein, forderte Novy. Zwar sei der Kapitalismus auch eine Erfolgsgeschichte, gleichzeitig habe der Mensch in den vergangenen 200 Jahren aber in einer brutalen Art und Weise in die Natur eingegriffen. Erderhitzung und Artensterben seien Beispiele für die „unglaublichen Destruktionsdynamiken.“ Die große Herausforderung sei es, sich von dem System zu verabschieden, dass auch eine Reihe von Vorzügen hatte. „Aber wir müssen uns verabschieden, weil es unter ökologischen Kriterien so nicht weitergehen kann.“, mahnte Novy. Das Ziel sei, eine Nachhaltigkeit, die unsere Zufriedenheit fördert und gutes Leben für alle ermöglicht.
Solidarität und Mitmenschlichkeit brauchen Wachstum
Küberl erinnerte daran, dass es auch andere Wachstumsformen wie z.B. soziale Errungenschaften gäbe und, dass beim ökonomischen Wachstum Differenzierung notwendig sei. „Mehrere Milliarden Menschen brauchen ökonomisches Wachstum für ein menschwürdiges Leben. Aber alle? Die einen brauchen mehr, die anderen weniger Wachstum. Und wir brauchen neue Wohlstandsmodelle, die auch immateriell sind. Vor allem Solidarität und Mitmenschlichkeit können Wachstum brauchen.“, appellierte Küberl. „Was oft übersehen wird: Die Suche nach dem Billigsten, das ist Neoliberalismus pur. Da müssen wir achtsam sein. Was ist die Qualität, die ich zum Leben brauche und die, die ich anderen zubillige, dass sie ein gutes Leben haben?“, so Küberl weiter. „Teile des Fortschrittes können uns auch in Richtung Hölle bringen, wir müssen das austarieren. Wir dürfen es der nächsten Generation nicht schlechter weitergeben, als wir es erhalten haben.“
Strukturen umgestalten – am besten gemeinsam
„Es ist auch bei uns so, dass wir eine Gruppe von Menschen haben, die keine Chance haben, aus der Armut und Arbeitslosigkeit herauszukommen – trotz Transferleistungen. Armut gehört schon innerweltlich abgeschafft, da müssen wir nicht auf den Himmel warten.“, fordert Küberl.
Dabei gehe es nicht so sehr darum, unser individuelles Verhalten innerhalb bestehender Strukturen zu verändern, ergänzte Novy. „Vielmehr muss es darum gehen, gemeinsam diese Strukturen zu verändern.“ Es gehe um das Gestalten von Rahmenbedingungen, wenn es ums klimafreundliche Arbeiten und Leben geht.
Besonders wichtig sei hier der Ausbau sozial-ökologischer Infrastruktur, so Novy. Z.B. beim öffentlichen Verkehr oder beim Zugang zu nicht-fossilen Energieversorgungen. Eine konkrete Möglichkeit: Geräte für ärmere Menschen zu subventionieren. „So können Lebenserhaltungskosten gesenkt und gleichzeitig klimapolitische Ziele erreicht werden.“
Das Ökologische – die Trockenheit, Kämpfe um Wasser und vieles mehr – würden in einigen Weltregionen ein lebenswertes Leben oft verunmöglichen, sagte Küberl und appellierte: „Mit dem, was man hat auskommen, das geht nur, wenn auch etwas da ist. Das ist in einem so reichen Land wie Österreich besser bewältigbar. Weltweit müssen wir uns Gedanken machen, wie wir Armut eindämmen. Es gibt Leute, die haben Vorteile aus der Situation, und es gibt unendlich viele, die Nachteile haben. Und das müssen wir ausgleichen.“
Nächster Online-Talk am 23.6. zum Thema „Generationen und Nachhaltigkeit“
Das Gespräch mit Franz Küberl und Andreas Novy, moderiert von Bernd Wachter, ist Teil einer Reihe des Forums Katholischer Erwachsenenbildung, anlässlich des 25-jährigen Bestehens dieses großen Verbandes der gemeinnützigen Erwachsenenbildung in Österreich. Im Forum haben sich 71 Einrichtungen der kirchlichen Erwachsenenbildung zusammengeschlossen. Rund 700 Hauptamtliche und 11.000 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagieren sich für eine zeitgemäße kirchliche Erwachsenenbildung in ganz Österreich.
Der nächste Online-Talk zum Thema „Generationen und Nachhaltigkeit“ findet am 23. Juni 2022 statt.
Es diskutieren Nachhaltigkeitsforscherin Ines Omann und Gesundheitsforscherin Vera Gallistl unter der Moderation von Birgit Wurzer, Erwachsenenbildung der Diözese Gurk-Klagenfurt. Die Teilnahme an dieser Online-Talk-Reihe ist kostenlos und für alle Interessierten möglich.
Alle Informationen: https://www.forumkeb.at/